Projekt

Bildung und Prävention - Leben im Abseits

Schlagwort/Thema:
Schule
Hochschule

Um frühzeitig eine Sensibilisierung zum Thema Armut, Bedürftigkeit und  Obdachlosigkeit zu erzielen, führen wir Schulungen, Seminare und Projektwochen (bzw. -tage) an Schulen, Universitäten und anderen schulischen Einrichtungen durch.

Dieser Teil unserer Vereinsarbeit liegt uns besonders stark am Herzen, da wir diese Tätigkeit als Präventionsmaßnahme sehen. Schüler*innen und Studenten*innen sind die Zukunft und in die gilt es, Fachwissen zu investieren, um einer Stigmatisierung von Obdachlosigkeit entgegen zu wirken und sie auf ihre gesellschaftliche Verantwortung aufmerksam zu machen, sie zum Handeln zu ermutigen.

Die Schüler*innen und Studenten*innen stehen der komplexen Thematik der Obdachlosigkeit und Armut sehr offen gegenüber und bringen sich neugierig in die Projektarbeit ein. Die bisherige Resonanz auf unsere Projektarbeiten war beeindruckend.

Im Rahmen dieser Arbeiten zeigen wir den Schüler*innen und Studenten*innen, dass gravierende Missstände auch in einem reichen Land wie Deutschland existieren, diesen jedoch mit sozialem Engagement begegnet werden kann. Auf diese Weise erleben sie die Bedeutung von Gesellschaft aus einer neuen Perspektive. Wir glauben, dass eine Erfahrung dieser Art bei jungen Menschen Vorurteile abbaut und ein kritisches Denken fördert.

 

Die Problematik

Allein in Hamburg leben laut dem Auswertungsbericht[1], der von der Sozialbehörde Hamburg in Auftrag gegebenen „Befragung obdachloser, auf der Straße lebender Menschen und wohnungsloser, öffentlich-rechtlich untergebrachter Haushalte 2018 in Hamburg“, ca. 1.910 Menschen auf der Straße. Bei dieser Zahl handelt es sich um Obdachlose, die in Tageseinrichtungen erfasst wurden. Viele Bedürftige bleiben diesen Einrichtungen jedoch fern. Daher wird die reale Zahl auf Vielfaches höher geschätzt. Laut einer Schätzung der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V sind in Deutschland bis ca. 860.000[2] Menschen wohnungslos. Tendenz steigend!

 

Davon sind allein rund 37.000 junge Menschen[3] ohne festen Wohnsitz – ungefähr zwei Drittel Jungen, ein Drittel Mädchen. Circa 20 Prozent sind minderjährig. Das Deutsche Jugendinstitut (DJI) hat die Zahlen anhand einer landesweiten Befragung von Fachkräften ermittelt. Bislang gibt es keine bundesweit geregelte Erfassung von Wohnungslosen jeglichen Alters. Zu den 37.000 jungen Menschen zählen alle, die nicht älter als 26 Jahre und entweder obdach- oder wohnungslos sind, also keinen festen Wohnsitz haben oder sich für unbestimmte Zeit nicht an ihrem gemeldeten Wohnsitz aufhalten.

Die Befragung der jungen Obdach- oder Wohnungslosen zeigte, dass die meisten Straßenkarrieren beginnen, wenn die Jugendlichen 16 Jahre oder älter sind, bei wenigen Befragten begann der erste Kontakt mit der Straße schon vor dem 15. Lebensjahr. Da mit dem Eintritt der Volljährigkeit die Unterstützung des Jugendamts meist endet, wächst dann das Risiko, dass gefährdete Jugendliche gänzlich und unbemerkt aus den Hilfestrukturen herausfallen.

Oftmals waren es familiäre Gründe (Gewalt, Missbrauch, soziale Vernachlässigung u.v.m.), die als Auslöser für das Leben auf der Straße gelten. Die Tendenz ist steigend. Hinzu kommt die stetig wachsende Gruppe von Menschen, die von Grundsicherung leben müssen und sukzessive in die Verarmung und eventuell in die Wohnungslosigkeit rutschen. Die Zahl der Migranten und Flüchtlinge in Deutschland bzw. Hamburg, erhöht sich ebenfalls. Daher ist mit einer Verschlechterung der Lage zu rechnen.

Aus sozialen Notlagen entsteht neben der Obdachlosigkeit eine Vielzahl von Begleiterscheinungen wie Prostitution, Drogen- und Suchtproblematiken sowie psychische und auch körperliche Leiden, die es für die betroffenen Menschen oft unmöglich machen, sich allein aus ihrer Situation zu befreien. Eine sozial agierende Gesellschaft ist hier unabdingbar.

Obdachlosigkeit ist ein überaus kritischer Zustand, der in kalten Wintermonaten auch regelmäßig Menschenleben durch den Erfrierungstod fordert.

 

Aktuelle und bereits durchgeführte Projekte

In den vergangenen Jahren konnten wir in zahlreichen Seminaren und Tagungen mit Schüler*innen die Problematiken der Wohnungslosigkeit und Obdachlosigkeit erörtern und Jugendlichen zeigen, dass es auch in ihrer Altersklasse Menschen gibt, die auf der Straße leben.

Mit einem Gymnasium entstand z. B. im August 2019 eine Projektwoche zum Thema Armut und Obdachlosigkeit. Die Projektgruppe bestand aus Schüler*innen der Abiturjahrgänge. Ziel des Projektes war es, eine Ausstellung zum Thema „Obdachlosigkeit und Armut in Hamburg“ zu erstellen. Warum sind Menschen obdachlos? Wie wird man obdachlos? Wie verbringen Obdachlose ihren Tag? Welche Hilfen gibt es in Hamburg für Obdachlose? Wie kann ich Obdachlosen helfen, was ist richtige Hilfe? Kann ich Obdachlose einfach so ansprechen?

In mehreren Workshops, u.a. in einer Tagesstätte für obdachlose und bedürftige Menschen, in Gesprächen mit der Sozialarbeiterin Anke Beceral sowie mit den bürgernahen Beamten der Davidwache Hamburg, erfuhren die Schüler*innen, mit welchen Problematiken die obdachlosen Menschen tagtäglich zu kämpfen haben, welche Hilfen sie in Anspruch nehmen können und welche wenigen Möglichkeiten sich bieten, die Menschen aus der Obdachlosigkeit heraus zu begleiten.

Besonders beeindruckend für die Schüler*innen war das Interview, welches sie direkt mit einem obdachlosen Mann führen konnten. Sehr authentisch und hautnah erfuhren sie, was ein Leben im Abseits wirklich bedeutet. Diese Möglichkeit hat nicht nur die Jugendlichen beeindruckt, sondern auch uns. Wir haben gesehen, wie schnell ein lebhaftes Gespräch entstanden ist und wie einfühlsam beide Seiten miteinander umgegangen sind.

Diese Erlebnisse prägten die Schüler*innen. Sie gaben an, dass die Hemmschwellen gegenüber Obdachlosen durch die Erfahrungen, die sie in diesen Tagen machen durften, verringert wurden. Sie stellten sich die Frage, wie sie zukünftig „auf Tuchfühlung“ mit Obdachlosen gehen könnten und überlegten, mit welchen Aktionen sie Leben im Abseits e. V. unterstützen könnten.

Eine Schülerin hat in der Schülerzeitung „Neues Wissen“ einen Artikel zum Thema „Ein Leben im Abseits“ verfasst.

 

[1] GOE | November 2018 | Dr. Melanie Ratzka | Andreas Kämper

[2] (Stichtag 30.06.2018); (BAG W (2019c)

[3] Erhebung Deutsches Jugendinstitut (DJI) 2017

Organisation:

Kontakt

Ansprechperson

  • Susanne Groth
  • 04028281461
  • kontakt@leben-im-abseits.de

Leben im Abseits e. V.

Der Verein Leben im Abseits e. V. wurde gegründet, um Behörden und Öffentlichkeit über das unakzeptable und menschenunwürdige Leben auf der Straße aufzuklären sowie die Einsicht zu fördern, dass obdachlose Menschen einen Anspruch darauf haben, mit Würde, Respekt und Anstand behandelt zu werden. Wir arbeiten lösungsorientiert und unbürokratisch.

Unser Ziel ist es, in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Veränderungen und ein Umdenken zu erreichen, Hemmschwellen im Umgang mit Bedürftigen abzubauen und einen respektvollen Umgang mit ihnen zu fördern. Denn eines ist sicher – die Maschen des sozialen Netzes werden immer größer und Bedürftigkeit wird in den nächsten Jahren verstärkt zunehmen.

Zu unseren Vereinsaufgaben zählen:

 

  1. Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit, auch in Kooperation mit anderen Initiativen in der Wohnungslosenhilfe.
  1. Bildung und Prävention in Form von Projekten an Schulen, Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen.
  1. Unterstützende Straßensozialarbeit inklusive Sozialfonds (finanzielle Hilfe, um Menschen bei der Rückkehr ins Regelsystem zu unterstützen) sowie ganzjährige Einzelunterbringung in Hotels zur Vorbereitung auf Wohnraum und andere Unterkünfte

 

1. Aufklärungs- und Sensibilisierungsarbeit, auch in Kooperationen mit Netzwerkpartnern

Durch Lesungen, Ausstellungen, Seminare sowie der Organisation von Benefizveranstaltungen unter dem Einsatz von konventionellen und sozialen Medien wird die Problematik der Armut und Obdachlosigkeit, welche zu oft übersehen wird, in den Mittelpunkt gestellt.

Bei unseren Dialogreihen und Talkrunden sprechen wir mit Experten aus unserem Netzwerk von Institutionen aus der Wohnungslosenhilfe und geben einen fundierten Überblick über die Hintergründe, Ursachen und Folgen der Obdachlosigkeit. Durch diese umfassende Aufklärung sollen Vorurteile und Berührungsängste abgebaut und Menschen nachhaltig für die Thematik sensibilisiert werden. Auch wird Interessenten und anderen Ehrenamtlichen erklärt, wie und in welcher Form nachhaltige Hilfe für obdachlose Menschen geleistet werden kann. Eine Datenbank mit den unterschiedlichen Akteuren in der Obdachlosenhilfe ist auf unserer Homepage abgebildet.

Wir möchten denen ein Sprachrohr geben, welche sonst ungehört blieben – und damit sind nicht nur obdachlose und bedürftige Mitbürger gemeint, sondern auch Personen, Einrichtungen, Vereine, Behörden und Organisationen, welche sich für die Bedürftigen einsetzen, erstklassige Arbeit leisten, aber aufgrund unterschiedlichster Gründe nicht die benötigte Aufmerksamkeit und Unterstützung der Gesellschaft erhalten.

Wir tragen die Thematik der Obdachlosigkeit, der Armut und der Randgruppen auf eine ganzheitliche und nachhaltige Art und Weise in das Bewusstsein der Gesellschaft. Außerordentliche Unterstützung erhalten wir dabei u. a. von den bürgernahen Beamten des Polizeikommissariats 15, der Davidwache Hamburg.

 

2. Bildungsarbeit in Form von Projekttagen, -wochen und Seminaren

An Schulen, Universitäten und anderen Bildungseinrichtungen führen wir Schulungen, Seminare und Projektwochen (bzw. -tage) durch. Auch hierbei nutzen wir die fachliche Expertise durch unsere Netzwerkpartner.

Die Bildungsarbeit an schulischen Einrichtungen sehen wir als Präventionsmaßnahme an. Schüler und Studenten sind die Zukunft und in die gilt es, Fachwissen zu investieren, um einer Stigmatisierung von Obdachlosigkeit entgegenzuwirken, Vorurteile bereits bei jungen Menschen abzubauen und ein kritisches, gesellschaftspolitisches Denken zu fördern.

 

3. Unterstützende soziale Arbeit auf der Straße und Sozialfonds

Mit gezielter, wiederholter Ansprache versuchen wir, obdachlose Menschen dazu zu bewegen, eine Rückkehr ins Regelsystem anzustreben. Aufgrund von Ängsten, psychischen Krankheiten oder auch durch schlechte Erfahrungen mit Behörden und Sozialarbeitern sind obdachlose Menschen oftmals beratungsmüde und lehnen den Kontakt zu Sozialarbeitern oder andere Einrichtungen ab. Wir versuchen, die Menschen zu überzeugen, einen neuen Versuch zu starten, vermitteln an Fachkräfte aus unserem Netzwerk und begleiten zu Fachstellen, Behörden und anderen Terminen wie z. B. Wohnungsbesichtigungen, Vorstellungsgesprächen u.v.a.

Mit einem Großteil unserer erhaltenen Spenden unterstützen wir obdachlose und bedürfte Menschen unbürokratisch, schnell und ohne jegliche Voraussetzungen. Wir übernehmen zum Beispiel die Kosten für das Beantragen von Dokumenten, Fahrkarten zu Jobcentern, Behörden u. a.

Seit Beginn der Corona Pandemie hat sich dieser Aufgabenbereich drastisch erhöht. Die Versorgung von obdachlosen Menschen mit z. B. Lebensmittelgutscheinen, Kleidung, finanziellen Mitteln und der Unterbringung und Betreuung in Hotelzimmern ist ein sukzessiv steigender Teil unserer Arbeit.

In dieser Zeit ist es zudem wiederholt deutlich geworden, dass die Ruhe und Sicherheit einer Einzelunterkunft die ERSTEN Schritte für den Aufbau einer Zukunftsperspektive sind. Die durchweg positiven Erfahrungen führten zu der Entstehung unseres neuen Projektes “Der Schritt Vorwärts – Ein Weg aus dem Abseits“. Mit diesem Projekt bieten wir ganzjährig, unabhängig von Pandemie oder Winter, sechs Einzelunterkünfte auf Zeit im Hotel. Die Teilnehmer haben dort die Möglichkeit, mit qualifizierter Unterstützung die Rückkehr ins Regelsystem zu beginnen.