Tag der Bildung 2023: Optimistisch aber systemkritisch

Jedes Jahr am 8. Dezember feiern wir den Tag der Bildung. In diesem Jahr lud Die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung gemeinsam mit der Bertelsmann Stiftung zu einer Web-Konferenz ein, an der rund 180 Interessierte aus Bildungswesen, Zivilgesellschaft, Politik, Verwaltung und Presse teilnahmen. Im Mittelpunkt stand die für den Tag der Bildung in Auftrag gegebene Jugendbefragung zum Schwerpunktthema „Übergang von Schule in den Beruf“. Für die Erhebung befragte die forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen 1.075 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 21 Jahren. Die Befragung erfolgte vom 16. August bis 25. September 2023 mithilfe eines repräsentativen Online-Panels. Die Projektleiterin Franziska Jahn präsentierte die Ergebnisse der Befragung. 

Mehrheit optimistisch

Die große Mehrheit der jungen Menschen in Deutschland blickt ihrer beruflichen Zukunft positiv oder eher positiv entgegen (insgesamt 88 Prozent). Von den 14- bis 21-Jährigen gibt nur rund jede:r Zehnte an, negative Erwartungen zu haben. Dabei sind sich die jungen Menschen durchaus bewusst, wie wichtig ein Berufsabschluss für ihre berufliche Zukunft sein wird: Die Hälfte der befragten Jugendlichen und jungen Erwachsenen erwartet, dass die Bedeutung einer abgeschlossenen Ausbildung oder eines abgeschlossenen Studiums für die berufliche Zukunft in den nächsten zehn Jahren eher zunehmen wird. 

„Viele junge Menschen können gut einschätzen, welche Anforderungen die Arbeitswelt an sie stellen wird. Gleichzeitig fühlen sie sich angesichts der Fülle an beruflichen Möglichkeiten oft überfordert. Deshalb brauchen wir mehr Angebote für eine enge und individuelle Beratung und Begleitung“, sagt Clemens Wieland, Experte der Bertelsmann Stiftung für berufliche Bildung. 

Dr. Marc Calmbach, Geschäftsführer des SINUS-Instituts, ordnete die Ergebnisse ein und ergänzte, dass bildungsbenachteiligte Jugendliche deutlich pessimistischer in die Zukunft blickten als Abiturient:innen.

Zweifel an guter Berufsvorbereitung in der Schule

Skeptischer zeigen sich die jungen Menschen bei der Frage, inwieweit Schüler:innen in der Schule hinreichend auf das Berufsleben vorbereitet werden. Nur knapp ein Drittel der Befragten (insgesamt 31 Prozent) vertritt die Ansicht, dass es der Schule gut oder sehr gut gelingt, Jugendlichen die relevanten Kenntnisse und Fähigkeiten für eine berufliche Zukunft zu vermitteln. Insgesamt 56 Prozent der Befragten geben an, dass dies weniger gut gelingt. Gefragt, welches die aus ihrer Sicht wichtigsten Kenntnisse und Fähigkeiten für ihre eigene berufliche Zukunft sind, halten nahezu alle jungen Menschen Selbstorganisation (98 Prozent), Höflichkeit und Toleranz gegenüber anderen Menschen (97 Prozent) und Kenntnisse der deutschen Sprache (92 Prozent) für wichtig oder sehr wichtig. Erst danach folgen für sie Fremdsprachen (84 Prozent), Kompetenzen in den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaften (80 Prozent), Berufserfahrung in Form eines Praktikums (80 Prozent) oder gesellschaftliches Engagement (74 Prozent). 

„Jedem jungen Menschen die Chance auf einen Berufsabschluss geben“

Wie in den Vorjahren äußern die Befragten weiterhin Zweifel an der Chancengerechtigkeit im deutschen Bildungssystem: Nur rund ein Drittel der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist der Meinung, dass alle Kinder in Deutschland im Großen und Ganzen unabhängig von ihrer sozialen und kulturellen Herkunft die gleichen Chancen auf eine gute Bildung haben. Eine Mehrheit von 64 Prozent findet hingegen, dass dies eher nicht der Fall ist. Obendrein gehen sie davon aus, dass sich an der Situation auch künftig grundlegend wenig ändern wird: Lediglich ein Drittel der jungen Menschen nimmt an, dass in zehn Jahren gleiche Bildungschancen für alle Kinder in Deutschland herrschen werden, während eine Mehrheit von 57 Prozent dies eher bezweifelt.

„Viele junge Menschen erkennen genau, dass wir im Bildungsbereich ein Gerechtigkeitsproblem haben. Mit Blick auf faire Chancen einerseits und den Arbeits- und Fachkräftemangel andererseits muss unsere Gesellschaft alles dafür tun, wirklich jedem jungen Menschen die Chance auf einen Schul- und Berufsabschluss zu geben“, sagt Andreas Knoke- von der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung. 

„Bedürfnisse der jungen Menschen ernst nehmen“

Allen Befragten wurden Vorschläge vorgelegt, wie es gelingen könnte, Jugendliche und junge Erwachsene beim Wechsel von der Schule in eine berufliche Ausbildung oder ein Studium besser zu unterstützen. Eine deutliche Mehrheit hält es für wichtig, Schulen zu beruflichen Orientierungsangeboten, wie zum Beispiel Beratung oder Praktika, zu verpflichten (91 Prozent). Große Zustimmung findet auch eine finanzielle Unterstützung, die es ermöglicht, für einen Ausbildungs- oder Studienplatz umzuziehen (90 Prozent). 85 Prozent sind der Meinung, dass Kompetenzen und Erfahrungen über das Notenzeugnis hinaus stärker anerkannt werden sollten. 

„Es ist wichtig, die Bedürfnisse der jungen Menschen ernst zu nehmen und sie viel stärker zu berücksichtigen, wenn es um bildungspolitische Maßnahmen geht. Denn sie wissen am besten, was sie an Unterstützung benötigen und wie sie mit Angeboten, beispielsweise zur Berufsorientierung, erreichbar sind“, betonen die Experten von Bertelsmann Stiftung und Deutscher Kinder- und Jugendstiftung.

Bildung ist der Grundstein zur Lösung globaler Probleme und einer gerechteren, inklusiven Gesellschaft, mit gleichen Chancen für alle. Im Rahmen der Initiative Tag der Bildung geht es darum, dem Thema Bildung einen entsprechenden Stellenwert zu geben. Damit setzen wir uns für eine überall zugängliche, hochwertige und gleichberechtigte Bildung ein. Clemens Wieland verkündete, dass die Bertelsmann Stiftung auch zukünftig eng mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung zusammenarbeiten werde, um sich für die Verbesserung der Zukunftsaussichten von Jugendlichen mit niedriger Schulbildung einzusetzen.